Häuser aus Kupfer mit langer Historie
Fertighäuser aus Kupfer wurden in Eberswalde in den 30er Jahren gebaut. Es blieb bei einem einmaligen Experiment.
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Wie sich es darin wohnt? Der Hausbesitzer, der gerade im Vorgarten mit dem Rasenmäher zugange ist, blickt belustigt auf und fragt zurück: „Wollen Sie eine Antwort mit Humor? Wie in einer Blechbüchse“, sagt er und grinst.
Häuser aus Kupferwänden und Kupferdach als Zeugen der Eberswalder Industriegeschichte
Acht Häuser aus Kupferwänden und mit Kupferdach gruppieren sich unter dem markanten Wasserturm in Eberswalde-Finow, sie sind Zeugnis einer Industriegeschichte. Vor 100 Jahren fand sich hier eine der größten Industriegebiete Deutschlands, rauchende Schlote prägten das Bild am Finowkanal. Hier wurde Eisen gewalzt, Hufeisen produziert, Rohre gefertigt und eben auch Kupferplatten produziert. Die Produktion der Kupferplatten, die die Hirsch Kupfer- und Messingwerke fertigten, überstieg allerdings die Nachfrage, und so ersannen die jüdischen Fabrikbesitzer eine neue Art der Nutzung. Warum nicht Häuser aus Kupfer bauen?

Auf der Berliner Bauausstellung 1931 wurden verschiedene Typen dieser ungewöhnlichen Fertighäuser beworben. „Ihr Heim! Haus „Kupfermärchen“ Dieses ist ein wundervolles Kupferhaus, 4 Zimmer, Küche, Bad und Kammer. Eingebaute Schränke sind in allen unseren Häusern vorgesehen. Sie begeistern durch die ökonomische Raumausnutzung und die Ersparnis an Geld und Arbeitskraft die Hausfrau“, warb der Prospekt. Außerdem wurden darin das in die Wand eingelassene Bügelbrett und das in allen Haustypen vorhandene Badezimmer hervorgehoben. Die Preise der Kupferhäuser waren erschwinglich: der Typ Kupfercastell mit 100 Quadratmeter Wohnfläche kostete 10.900 Mark, der Frühlingstraum mit 110 Quadratmeter 10.600 Mark, das Juwel mit 70 Quadratmetern 7900 Mark und der Maienmorgen mit 50 Quadratmeter 6900 Mark. Der Aufbau der Häuser, so versprach man damals, sollte in Rekordgeschwindigkeit vor sich gehen: sechs Arbeiter sollten den Aufbau eines Hauses innerhalb von 24 Stunden schaffen. Die Häuser erregten international Aufsehen, und auf der Pariser Internationalen Kolonialausstellung 1931 erhielten sie den Grand Prix. Es kam aber auch Kritik von Architekten: man bemängelte die „altmodischen“ Entwürfe und fürchtete im Sommer einen Hitzestau wegen der Metallwände.
Wenn man sich heute der Musterhaussiedlung in Eberswalde-Finow nähert, meint man beim ersten Blick, es handelt sich um Holzhäuser. Die Außenwände haben die Optik von Holzbrettern, und die dunkelbraune Farbe verstärkt diesen Eindruck. Dies rührt vom gebeizten Kupferblech der Außenhaut. Dazu kontrastieren weiß gestrichene Fensterrahmen und weiß-grüne Fensterläden aus Holz.

Die Innenwände der Häuser bestehen aus farblich unterschiedlich gestaltetem Stahlblech, statt Tapete gab es Lackierungen mit Farben wie nilgrün, pastellblau oder korallenrot. Einen Nagel für ein Bild einzuschlagen, ist da eine Herausforderung. Ausgesteift wurden die Häuser durch ein inneres Holzgerüst. Der Dämmstoff zwischen Innenhaut und Außenhaut war Pappe, wobei eine ausgeklügelte Verbindung von großen Luftlöchern dafür sorgte, dass die Luft nicht zirkulieren konnte. Das Dach bestand aus einem aufgenagelten dünnen Kupferblech. Die acht Kupferhäuser in der Musterhaussiedlung waren damals vorgesehen als Testobjekte. Angestellte des Werkes sollten dort „testwohnen“, um zu sehen, ob sich die Prototypen zum normalen wohnen eigneten.
Die Erfinder waren der Ingenieur Frigyes Förster und der Architekt Robert Krafft. Sie folgten der damals aufkommenden Grundidee des Bauhauses, nach der die schnelle Schaffung von Wohnraum durch Fertigteile favorisiert wurde.
Die Hirsch-Werke sicherten sich die Rechte an dem von Förster und Krafft entwickelten „Box-Frame-System“, das aus Wandelementen bestand, die leicht zu transportieren waren und auch leicht zu montieren und demontieren.
Die Elemente bestanden aus einem Holzrahmen mit Dämmung, einer Verkleidung aus geprägtem Stahlblech für die Innenseite und einer Kupferhaut für die Fassade. Das Dach bestand aus Kupferblechen, in das Rautenmuster geprägt waren.

1930 und 1934 ließen sich die Erfinder das Kupferhaus sogar mit einigen Systemverbesserungen patentieren. Generell war Kupfer für den vorgefertigten Hausbau gut geeignet, das es sehr feuerbeständig ist und eine gute Korrosionsbeständigkeit aufweist. Und der sehr gute Zustand, in dem sich die heute rund 90 Jahre alten Fertighäuser befinden, zeugen von deren Langlebigkeit.
Das Kupferhaus, da waren sich die Erfinder damals sicher, verfügte über sehr guten Wärmeschutz. Ob die Wandelemente aber tatsächlich das Äquivalent einer 2,2 Meter dicken Backsteinmauer boten, wie ein Gutachten des Forschungsheims für Wärmeschutz vor 90 Jahren angeblich belegte, stellen Experten heute in Frage.
Da die Kupferhäuser erst 1996 unter Denkmalschutz gestellt wurden, war es den Bewohnern zuvor freigestellt, Veränderungen vorzunehmen. Deshalb haben einige nicht mehr den Originalzustand, sie verfügen über Anbauten oder neue Dächer aus normalen Dachziegeln. Der Förderverein Finower Wasserturm, der im Wasserturm ein kleines Museum zur Industriegeschichte betreibt, hat jetzt vor, eines der Häuser – das einzige, das nicht bewohnt ist – als Museum begehbar zu machen. „Es handelt sich um das zuletzt gebaute Haus aus dem Jahr 1932, das Walter Gropius entwarf“, erzählt Karl-Dietrich Laffin vom Förderverein. Es ist das kleinste Haus, hat zwei kleine Zimmer, ein kleines Bad und eine Küche. Außer der modernen Zentralheizung ist fast alles noch original darin. Man sieht sogar noch die Stellen, an denen die früheren Bewohner Bilder aufgehängt hatten. Gropius dachte damals nachhaltig: er legte Wert auf einen effizienten Energiehaushalt seiner Häuser.

Warum endete der verheißungsvolle Kupferhausbau dann so abrupt?
„Dies war eine Auswirkung der Weltwirtschaftskrise 1932“, weiß Laffin. Durch sie gerieten die Hirsch Kupfer- und Messingwerke, damals Europas modernste Kupferfabrik, in finanzielle Schwierigkeiten, und die Abteilung Kupferhausbau wurde geschlossen.
Daran konnte auch die 1932 gegründete Deutsche Kupferhausgesellschaft nichts ändern. Sie bot Juden, die nach Palästina auswandern wollten und Bargeld nicht mitnehmen durften, ein besonderes Paket an: Fertigteile für ein Kupferhaus konnte als „Umzugsgut“ mitgenommen werden. Der Haustyp „Haifa“ hatte, auf 34 Pakete verteilt, ein Gesamtgewicht von gut 15.000 Kilogramm und war damit schiffbar. Die Deutsche Kupferhausgesellschaft machte sich beim Reichswirtschaftsministerium dafür stark, dass wohlhabenden Auswanderern die Mitnahme eines Kupferhauses als Umzugsgut gestattet wurde. 1933 schalteten die Hirsch-Werke in der Jüdischen Rundschau Anzeigen, in denen sie für die Vorzüge der Häuser warben – unter anderem mit der hervorragenden Isolierung gegen Hitze und Kälte. Mitte der 1930er Jahre begann dann aber die militärische Aufrüstung, und Kupfer galt als kriegswichtiger Rohstoff. Damit war das Ende der Kupferhäuser besiegelt.

Heute schätzen Architekten das Material Kupfer wieder für moderne Hausbauten. Zum einen besticht es durch die Patina, die es recht schnell erhält, zum anderen ist es gut geeignet für die Konstruktion vorgehängter hinterlüfteter Fassaden. Die Kupferpatina schützt vor Korrosion, Schutzanstriche werden nicht benötigt. Nachhaltig ist das Material ebenfalls, denn beim Abriss des Hauses lässt sich Kupfer endlos weiterverwerten, ohne den geringsten Qualitätsverlust. Das Deutsche Kupferinstitut stellte fest, dass Kupfer eine Schlüsselrolle in der nachhaltigen Entwicklung hat und für die grüne Revolution unverzichtbar sei. Aufsehenerregende moderne Bauten mit Kupfer sind zum Beispiel die Sporthalle in Sankt Martin Villach, die eine Kupferfassade aus gefalteten Lochblechen aufweist, oder das Wissenschaftszentrum Experimentarium in Dänemark, das durch eine aufsehenerregende Helix-Treppe aus Kupfer glänzt. Die Architekten wollten mit ihr eine abstrakte Version eines DNA-Strangs schaffen. Aber auch ganz „normale“ Stadtvillen erhalten heute durch eine Kupferhaut auf der Dachgaube ein schönes Detail.
Weiterführende INFO zum Einsatz von Kupfer beim Häuserbau
Kupfer ist seit seiner Entdeckung im Jahr 8700 vor Christus eines der am häufigsten verwendeten Metalle in der Geschichte der Menschheit. Im Bau kann Kupfer sehr vielfältig eingesetzt werden – von Treppenhäusern über Statuen bis zur komplexen Architektur.
Hier schreibt Dirk Engelhardt. Ich wohne in Eberswalde, wo ich seit 2015 als freier Journalist arbeite. In dieser Rolle schreibe ich Artikel für das Eberswalde-Magazin sowie für diverse andere deutsche Zeitungen und Magazine. Geboren 1967 in Göttingen und in Hessen aufgewachsen, habe ich zuvor unter anderem für die Berliner Morgenpost gearbeitet und Reisebücher verfasst. Jetzt, als Eberswalder, bereitet es mir große Freude, die Themen und Geschichten meiner Heimat gut zu recherchieren und darüber kurzweilig zu berichten. Mehr über mich: https://www.dirk-engelhardt.de/ Über eine kleine Zuwendung über Paypal an paulpunter46@gmail.com würde ich mich freuen.