In Finowfurt entsteht aus einem verfallenen Schlossgut ein modernes Eco-Resort
Fast jedes mittelgroße Dorf in Brandenburg hat es: ein Schloss. Und die Historien dieser Schlösser ähneln sich: meist wurden sie zu DDR-Zeiten als Kinderheim, Ferienstätte des FDGB, als Behördensitz oder Jugendwerkhof genutzt. Aufwendungen für Renovierungen im Inneren oder Äußeren waren meist kläglich, was aber den Vorteil hatte, dass wenig zerstört wurde. Nach dem Mauerfall standen diese Schlösser entweder leer, wurden zu Hotels oder Museen umgebaut oder sind in Privatbesitz.

In Finowfurt bietet das Schlossgut eine ziemlich klägliche Ansicht: an der Vorderseite wurde der gesamte Stuck entfernt, die ehemalige Eingangstreppe wurde mit DDR-Betonfertigelementen ausgebessert. An der Hinterseite ist der Stuck zwar noch weitgehend erhalten, doch aus dem gläsernen Wintergarten wachsen kleine Bäume, und in den geräumigen Zimmern hängen Tapeten teilweise von den Wänden herunter, das Parkett wellt sich.
Ziemlich skurril wirkt eine verkrumpelte aluminiumfarbene Röhre, die aus dem Gebäude herauskommt und sich auf meterhohen Stelzen durch den Park schlängelt. Das war die Versorgung mit Fernwärme zu DDR-Zeiten gewesen, weiß der neue Schlossherr, und ein Lächeln umspielt seine Mundwinkel dazu.
Wer traut sich, solch eine Ruine mit Millionenaufwand zu einem Öko-Hotel aufzumöbeln? Dieser Herr heißt Marc Lorenz und wird das „Schlossgut Finowfurt“ mit Investor Uwe Tietz betreiben. Tietz ist schon seit 1992 im Bausektor tätig und Geschäftsführer einer Schweizer Immobiliengesellschaft. Marc Lorenz arbeitet seit vielen Jahren im Hotelbereich, er hat Erfahrung mit internationalen Ketten und kleinen Boutique-Hotels rund um die Welt. Mit „the matasota – sustainable hospitality concepts“ berät er Tourismusunternehmen in Punkto Nachhaltigkeit. Zuletzt arbeitete er im Hygge Hotel Lulu Guldsmeden in Berlin.
Das Gut wurde 2014 von Tietz und einem Partner gekauft und der komplette Bebauungsplan wurde über zwei Jahre bearbeitet und 2017 genehmigt. 2020 kam dann Marc Lorenz mit ins Boot, und ein neuer Masterplan wurde entwickelt. Rund 25 Millionen Euro sollen in das Schlossgut Finowfurt investiert werden und dann soll das Anwesen als „naturnahes Eco-Resort“ Gäste anziehen. Das Thema Generationenübergreifendes Wohnen soll ein wichtiger Aspekt werden, dafür werden drei Gebäude mit rund 40 Wohnungen reserviert. Geplant ist auch ein Gemeinschaftgarten und ein regionaler Laden.
Ein Vorteil für die Renovierung sei es, sagt Tietz, dass das Haus nicht unter Denkmalschutz steht. So können verfallene Anbauten abgerissen werden und die Neugestaltung wird vereinfacht. Bei einem Rundgang durch das Haus mit rund 800 Quadratmeter Fläche fällt auf, dass fast in jedem Raum eine andere, gut erhaltene DDR-Deckenleuchte baumelt, was einen kuriosen Eindruck macht. Die zeugen wohl noch von der letzten Nutzung, der KAP Lichterfelde. Das war ein staatlicher Tierzuchtbetrieb, der Ställe für 600 Kühe hatte und zur LPG Typ III Finowtal gehörte. Davor nutzte die Reichsfeuerwehr das Haus. Nach dem Ende der DDR wurden dann die Fenster mit Blechplatten vernagelt, Warnschilder wurden angebracht, und der Schlosspark verwilderte, so dass er jetzt eher einem Wald gleicht.

Nebenan sprossen die Wucherungen des Kapitalismus rücksichtslos aus der märkischen Sandboden: kastenförmige Baumärkte, Supermärkte und Hamburgerrestaurants.
Erbaut wurde das Schlossgut um das Jahr 1860 herum, genau weiß man es nicht mehr. Dann kam die Familie von Arnim, die das Anwesen 1916 erwarb und es erweiterten.
Die von Arnims sind in Brandenburg keine Unbekannten, auf sie sind Schlösser wie Schloss Muskau, Schloss Wiepersdorf, Schloss Boitzenburg, Schloss Suckow und viele andere zurückzuführen.
Der wilde Wald im Schlosspark wird bald etwas zurückgestutzt, die alte Ulme mit vier Stämmen direkt vor dem Wintergarten wird natürlich bleiben, beteuert Lorenz. Einen Teich gibt es auch, der durch die Jahre fast randvoll mit Laub zugefallen ist und auch etwas Pflege benötigt. Am hinteren Ende des Parks fließt der Finowkanal. „Dort wird das Hotel einen eigenen Bootssteg errichten und den Gästen die Möglichkeit geben, Boote zu nutzen“, sagt Lorenz. Der Finowkanal ist Deutschlands älteste künstliche Wasserstraße, erbaut 1609 vom Kurfürsten Joachim Friedrich Wilhelm in Handarbeit in nur 4 Jahren.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er für den verstärkten Schiffsverkehr zu klein, deshalb ließ Kaiser Wilhelm den Oder-Havel-Kanal bauen, der weitgehend parallel verläuft. So schläft der Finowkanal heute einen Dornröschenschlaf und bietet sich für Wassertourismus an. Er wurde in den 1990er Jahren umfangreich saniert und seltene Pflanzen und Tiere siedelten sich hier an. Die „Treidelwege“ an den Ufern, an denen früher Pferde die Kähne zogen, sind heute für Radler umfunktioniert.

Um die örtliche Bevölkerung mit einzubeziehen, veranstalten die Eigentümer an einigen Wochenende „Treidelmärkte“ auf dem Schlossgelände. Wegen der Beschränkungen durften immer nur 100 Personen gleichzeitig eingelassen werden, aber die Schlange am Schlosstor bewies, dass das Interesse da ist. Es gab Stände mit Bio-Bratwurst, Bio-Bier und anderen Spezialitäten, und Künstler stellten in den morbiden Räumen Kunstobjekte aus, die damit einen Instagram-tauglichen Hintergrund hatten.
Die Räume im Hauptgebäude, die im Moment noch ziemlich muffig riechen, sollen als Hotelzimmer gestaltet werden. Ihre Größe ist bereits so dimensioniert, dass auch anspruchsvolle Gäste genug Platz haben werden. Die ehemaligen Stallungen im Eingangsbereich sollen zu Apartments mit Hotelservice ausgebaut werden, damit zielt man auf Gäste, die etwas länger bleiben wollen. Ähnlich arbeitet das Coconat-Resort in Brandenburg, das sich als Kombination für Arbeit und Freizeit für Digitalarbeiter sieht und sich über mangelnden Zuspruch nicht beklagen kann. Die Renovierung in Finowfurt soll natürlich so ökologisch wie möglich vor sich gehen, „unter Berücksichtigung ressourcenschonender und energiesparender Baubiologie“ heißt es im Werbetext hierzu.
Anspruchsvolle Hotels sucht man in der Gegend um Eberswalde bisher vergeblich, die meisten Hotels sind hier in der einfachen Zwei-Sterne-Kategorie angesiedelt. Natürlich wird in Finowfurt auch ein Well-Being-Bereich nicht fehlen. „Spa“ möchte es Lorenz lieber nicht nennen, weil der Fokus auf naturnahen Angeboten wie Meditation, Yoga und Ayurveda gelegt werden soll. „Ayurvedische Medizin und Ernährung soll auch eine Rolle spielen, damit wollen wir Firmen die Möglichkeit geben, „Corporate Wellness“ anzubieten“, erläutert Lorenz das Konzept.
Hinten im Schlosspark wird es eine Lagerfeuerstelle geben. Einen gewölbeartigen Bunker neben den Ställen wollen die Eigentümer erhalten und darin eine Sauna errichten.
Eine Zusammenarbeit ist auch mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, der HNEE, avisiert.
Für Veranstaltungen, Seminare, Workshops und coworking für Anwohner wird die alte Scheune des Schlossgutes hergerichtet, sie wird einmal für mehr als 100 Personen Platz bieten.
Bald soll das Projekt an den Start gehen, bis dahin ist noch viel zu tun. Die beliebten Treidelmärkte, die regelmäßig auf dem Gelände stattfanden, wurden allerdings kürzlich vom Amt untersagt. Doch dagegen wollen die Inhaber vorgehen.
Hier schreibt Dirk Engelhardt. Ich wohne in Eberswalde, wo ich seit 2015 als freier Journalist arbeite. In dieser Rolle schreibe ich Artikel für das Eberswalde-Magazin sowie für diverse andere deutsche Zeitungen und Magazine. Geboren 1967 in Göttingen und in Hessen aufgewachsen, habe ich zuvor unter anderem für die Berliner Morgenpost gearbeitet und Reisebücher verfasst. Jetzt, als Eberswalder, bereitet es mir große Freude, die Themen und Geschichten meiner Heimat gut zu recherchieren und darüber kurzweilig zu berichten. Mehr über mich: https://www.dirk-engelhardt.de/ Über eine kleine Zuwendung über Paypal an paulpunter46@gmail.com würde ich mich freuen.